Die Verlierer....

Artikel aus der Frankfurter Rundschau,30.06.2000, von Adrienne Woltersdorf

Ein Züchter kämpft für die Kampfhunde, die für ihn keine sind - und sieht sich von der Schäferhund-Lobby bedroht.

Lothar Benkel hat die Schnauze voll. Gründlich. Missmutig geht er den Weg entlang den Schrebergärten von Rudow. Auf die Neuköllner Stadtwohnung hat er keine Lust mehr.Pöbeleien, sein zerkratzter Mercedes, aufgeschlitzte Autoreifen, dumme Sprüche.

Alles hat er schon erlebt. Deshalb verbringt der Rentner gemeinsam mit Frau Gabriela den Sommer in der Datsche am Südostrand Berlins. Hier dürfen Puppe, Dornröschen, Klara und Onkel Archie im Schrebergarten sein was Lothar Benkel in ihnen sieht: liebe, freundliche Hunde.

Montag war für die Benkels ein schwarzer Tag. " In wenigen Minuten war meine ganze Lebensarbeit dahin."

Als die Nachricht von dem von Kampfhunden zerfetzten kleinen Volkan aus Hamburg kam, wusste der Landesgruppenvorsitzende Berlin-Brandenburg vom Deutschen Club für Bullterrier e.V. gleich, was los sein würde. Seitdem lädt er alle Journalisten, die bei ihm anrufen, in seine Oase ein. " Kommen Sie und sehen Sie selbst."

Seine vier Staffordshire Bullterrier, je 18 Kilo kompakte Muskelpakete, pesen durch den Garten und beschnüffeln stürmisch den Besuch. Lothar Benkel ist präpariert. In einem Schnellhefter hat er sein Archiv von Artikeln über Kampfhunde, von Studien und Gutachten. Ein Bild auf dem sich Prinz Charles vor seinem Wachregiment mit dekorierten, Staffordshire Bullterrier verneigt, zückt er gleich zu Beginn des Gespräches. Denn auf die Presse ist er mächtig sauer. "Kampfhunde, das gibt´s doch gar nicht" doziert er. Ein Blindenhund ist ja auch keine Rasse. Ein Hund ist, was der Mensch aus ihm macht.

„Unverzeihbar“ sei das, was in Hamburg passiert ist. Natürlich. Solche „asozialen Penner“ gibt es in Benkels Verein jedenfalls nicht. „Ich halte den Club sauber. “Alle 150 Mitglieder ordentliche Angestellte,Krankenschwestern, pünktliche Steuerzahler. Hundeliebhaber. Mit „Spinnern“ will Benkel auf keinen Fall in einen Topf geworfen werden. Seitdem ihn ein Berliner Stadtfernsehsender zu einem Studiogespräch gebeten hatte, bei dem auch Skins auftauchten, geht er zu keiner Talkshow mehr. „Die wollten mich in die rechte Ecke stecken“, empört sich der in seinem Schrebergarten. Dabei hat er doch von Politik nicht so viel Ahnung, sagt er. Nur so viel, dass er die Politiker nicht mehr wählt, die Kapfhundebesitzer für „Asoziale“ halten. „Das ist doch eine Backpfeife ins Gesicht aller verantwortungsbewussten Hundehalter!“ Die wahrhaft Verantwortungslosen weiß Lothar Benkel ganz woanders. „Staatsanwälte und ihre Liebchen“, Hundezüchter in den Kellern der Zehlendorfer Villen, zum Beispiel. „Die wollen Blut sehen, züchten aggressive Hunde, quälen und hetzen sie auf.“ Dabei gehe es um viel Geld. Oder bei SAT 1. „Kampfhund Kommissar Rex“ höhnt Benkel. Pure Volksverdummung. Mit dem treuherzigen Hunde-Kommissar im Kopf gehen Kinder auf jeden Schäferhund zu. Bloß, wenn einer dann zubeißt, „steht am nächsten Tag nichts in der Zeitung“. Das verbittert die Staffordshire-Bullterrier-Familie Benkel., die seit 15 Jahren die Rudel-Rangfolge streng einhält. Warum die Republik so ist, kann Lothar Benkel auch erklären. Über Schäferhunde als „Kampfhunde“ zu schreiben, sei ein Tabu. Dahinter vermutet der Staffordshire- Mann ein Schäferhund-Kartell. Die „Bayerische Liste“, mit der sich die Münchner rühmen, die hat ein „Schäferhund-Mann“ erstellt. Irgendwelche Rassen seien da aufgeführt, und die Beiß-Statistik fehle. Der Freistaat sei fest in der Hand der Schäferhund-Lobbyisten.
Und noch viel mehr:“ Wer in Deutschland gegen Schäferhunde schießt, verliert die Wahl“, ist sich Lothar Benkel sicher. Fünf Millionen Herrchen mit Schäferhund, dazu Konrad Adenauer mit seinen Rottweilern. Da sieht man doch, wo der Hund begraben ist. Hier in Rudow bekommt Politik ein völlig neues Deutungsmuster.
Und weil das so ist, hat Lothar Benkel die Schnauze voll. Ab nächsten Mittwoch wird er Puppe oder Dornröschen nur noch mit Maulkorb und Leine rauslassen dürfen. Wenn der letzte seiner vier Hunde tot sein wird, will er sich keinen mehr zulegen. „Ich kann nicht mehr“, sagt das Alphatier Benkel und zeigt die in Puppes Ohr eintätowierte Zuchtnummer: 0526. Seit 1936 habe der Staffordshire Bullterrier eine reine Blutlinie, die Aggression habe man seit vielen Jahrzehnten herausgezüchtet. In ganz Berlin gebe es von ihnen nur noch 35 Hunde, der letzte Wurf mit sechs Welpen sei 1997 gefallen. Seitdem nichts mehr. „Die letzten zehn Jahre Kampfhundehysterie haben uns das Genick gebrochen“, sagt Lothar Benkel traurig. Staffordshire – Bullterrier-Dämmerung in Neukölln.